Unterrichtsbeobachtung: Beobachtung des Kindes, seiner Lernwege, Interessen, persönlichen Merkmale

"Unterricht setzt sich aus vielfältigen Wirklichkeiten zusammen, die wie die Schalen einer Zwiebel ineinander liegen und sich ergänzen. Jede Schicht lässt eine unterschiedliche Sichtweise von Wirklichkeit zu, keine ist "wahrer" als die andere. Phänomene vereinen sich nicht in einer Einzelwahrheit, sondern divergieren in vielfältigen Wahrheiten. Die einzelnen Wirklichkeitsschichten können nicht in Form von unabhängigen, getrennten Variablen verstanden werden. Sie sind vielmehr untrennbar zu einem Wirklichkeitsmuster verbunden. nach diesem Muster muss man suchen, nicht um vorherzusagen und zu kontrollieren, sondern um zu verstehen".
(Guba, Egon G. und Lincoln, Yvonna S. (1981): Naturalistic inquiry, S. 145. London: Sage)

 

Beispiele: Beobachtungsergebnisse

Beobachtungsmethoden

Einflüsse auf die Wahrnehmung beim Beobachten

Typische Beobachtungsfehler

Das Kind in seinem Umfeld

Weiterführende Literatur zur Beobachtung

Links zu Beobachtungsmethoden

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beispiele: Beobachtungsergebnisse
Sie werden bei den verschiedenen Kindern und in Situationen Unterschiedliches beobachten, z. B.:

Kinder erfüllen mit dem, was sie tun immer auch die Erwartungen ihrer Umwelt. Einige Fragen, mit deren Hilfe man herausfinden kann, was die Umgebung von dem Kind erwartet:

Wann soll das Kind ganz bestimmte Verhaltensweisen zeigen oder auch nicht?
Das Kind wird immer einerseits Sicherheit suchen und auf der anderen Seite neue Möglichkeiten. Es geht also einerseits um Grenzen, Regeln, Ordnung, Fairness, Freundschaft und Wärme und auf der anderen Seite um neue Experimente, Selbstdarstellung, den Möglichkeiten zu angemessener Arbeit, Erfolg und Rückmeldung.
Auf der Grundlage dieser Beobachtungen und Erkundungen können Sie Hypothesen darüber versuchen, ob der Unterricht dem Kind die notwendigen Freiheiten und Anregungen für seinen Lernprozess bietet oder ob er das Kind unnötig einschränkt.


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Beobachtungsmethoden

Verfahren/ Methoden, um die Kinder besser kennen zu lernen

Beobachtung

Im Gespräch

Testen

Man kann die Fragen der Kinder an einer Wandtafel protokollieren und später zum Ausgangspunkt des Unterrichts machen.

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Einflüsse auf die Wahrnehmung beim Beobachten

Ein großes Problem stellt sich bei jedem Versuch, andere besser zu verstehen. Wir sehen die anderen stets vor dem Hintergrund unserer persönlichen Vorerfahrungen. Das was wir wahrnehmen und seine Interpretation lässt sich nicht völlig trennen, weil wir selektiv wahrnehmen, unsere Vorerfahrung also bereits mitbestimmt, was wir aus den vielfältigen Möglichkeiten der Gesamtheit überhaupt erfassen. Wahrnehmung wird demnach durch die Erfahrung gefiltert. (Aster, R. und Merkens, H., Hrsg. (1989): Teilnehmende Beobachtung. Werkstattberichte und methodologische Reflexionen. Frankfurt a.M.: Campus)


(Phyllogenetisch = menschheitsgeschichtlich; ontogenetisch bedeutet "den Lebenslauf betreffend"; aktualgenetisch heißt "in der Situation")

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Typische Beobachtungsfehler:

Zu frühe Wertung: Vorurteile steuern die Bewertung einer Situation. Dadurch erscheint es überflüssig, den Fortgang abzuwarten, man weiß ja, was dabei herauskommen wird. Diese Vorgehensweise ist eine ganz normale Reaktion darauf, dass wir komplexe Situationen nicht als Ganzes, sondern nur in Ausschnitten wahrnehmen. Z.B.: Eine Referendarin kommt in die Klasse und nimmt wahr, dass die Kinder zu lachen anfangen. Sie bezieht das auf sich und fühlt sich ausgelacht. Tatsächlich lachen die Kinder über etwas völlig anderes. Vorbeugen lässt sich einer zu frühen Wertung durch Nachfragen und sich der eigenen Interpretation vergewissern.  

Konzentration auf wenige Kinder: Häufig ziehen Kinder durch besondere Aktivitäten die Aufmerksamkeit der Lehrerin oder des Lehrers auf sich. Das ist einer der Gründe, warum Jungen mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht wird als Mädchen. Sie verhalten sich auffälliger. Es kann passieren, dass eine Lehrkraft eine Klasse deshalb als besonders undiszipliniert empfindet, weil sie ihr Hauptaugenmerk auf die fünf schwierigen Schüler richtet und die diszipliniert arbeitenden zwanzig anderen Kinder übersieht. Vorbeugen lässt sich der Konzentration auf wenige Kinder durch Beobachtung der eigenen Beobachtung aber auch durch Standardisierung der Beobachtung, z.B. durch Checklisten oder durch die Einführung bestimmter Beobachtungsrhythmen.  

Selbstverständliches wird übersehen: Im Zusammenhang mit Ritualen wird beispielsweise häufig nur die formale Ausführung registriert, nicht aber die Bedeutung für das Kind. Die Lehrerin bemerkt zum Beispiel, dass die Schülerinnen und Schüler die Hausaufgaben richtig in ihrem Hausaufgabenheft notiert haben, aber ihr entgeht, dass einige die Bedeutung der Aufgabe nicht kennen. Oder es fällt der Lehrerin nicht auf, dass immer das gleiche Kind die Bauecke nach einer Spielphase aufräumt, während die anderen zuschauen. Teil der Nachbereitung von Unterricht sollte die Planung von Aufmerksamkeitsfokussierung auf immer wieder andere Aspekte des Unterrichts sein. Nur durch bewusstes Beobachten werden versteckte Rituale sichtbar.  

Der Halo-, Hof- oder Ausstrahlungseffekt: Einige herausragende Merkmale einer Person bestimmen den Gesamteindruck und überdecken andere Merkmale. So erscheinen gepflegte Kinder zugleich intelligenter als ungepflegte. Wer forscher auftritt, dem wird zugleich unterstellt, er sei mutiger als andere. Es ist notwendig, sich dieses Phänomen immer wieder bewusst zu machen, um zu merken, wenn es sich einschleicht.

Projektionen und Gegenprojektionen:
Unbewältigte eigene Probleme werden auf das Kind übertragen. Häufig bemerkt die Lehrkraft diese Übertragung nicht und schätzt das Verhalten des Kindes falsch ein bzw. respektiert dessen eigene Bedürfnisse nicht. Das Kind wird so gesehen, wie man selbst gerne wäre. Umgekehrt werden Lehrkräfte von Kindern in Szenen verwickelt, in denen ihnen die Rollen von Mutter oder Vater zugedacht werden. Fühlt sich der Lehrer oder die Lehrerin dadurch ungebührlich behandelt, wird zugleich der Blick für die Übertragung versperrt, die dem Kind passiert. Insbesondere, wenn ein Kind seine bisherigen negativen Erfahrungen auf die Lehrperson überträgt, ist viel Geduld erforderlich, damit das Kind seine bisherigen Erfahrungen durch positive neue Erfahrungen ersetzen kann.  

Stereotypen:
Stereotypen sind individuelle bis hoch konsensuelle Vorurteile. Z.B.: „Mädchen mögen keine Technikbaukästen“ oder „Italiener sind impulsiv“. Im Beobachtungsvorgang schlagen sie sich als Vorerfahrungen nieder und werden zu Selektionskriterien der Wahrnehmung. Stereotypen sind zumeist gesellschaftlich vermittelt. Gängige Stereotypen lassen sich z.B. in den Medien finden oder in alltäglichen Gesprächen. Nur wer ein Stereotyp als solches erkennt, kann sich davor schützen, es zu verwenden.  

Konfabulationen:
Ungenaue Beobachtungen oder ungenaue Erinnerungen an Beobachtetes legen es nahe, die Lücken plausibel zu füllen, etwas dazu zu fabulieren. Leider spiegelt sich in diesen „Lückenfüllern“ vor allem die Vorerfahrung des Beobachters oder der Beobachterin aber nur in Glücksfällen das, was tatsächlich passiert ist. Es ist daher wichtig, die Stellen zu benennen, wo keine genaue Beobachtung vorliegt oder wo eine Beobachtung nur ungenau erinnert werden kann. „Lückenfüller“ können dann als solche gekennzeichnet und ihr Inhalt zugleich begründet werden.  

Der Mildeeffekt, Beschönigungen:
Insbesondere negative Beobachtungen werden häufig beschönigt, um dem Beobachteten nicht zu schaden oder um sich selbst nicht den notwendigen Konsequenzen stellen zu müssen. Man muß wissen, wenn man dazu neigt und gegebenenfalls eine Beobachtung mit anderen diskutieren, um den Mildeeffekt im eigenen Urteil auszuschließen. Es kann helfen, wenn man den Text des Beobachtungsprotokolls darauf hin untersucht, ob er abschwächende Wörter enthält. Anlaß für Verharmlosungen sind oftmals auch Peinlichkeiten oder Tabus.  

Vernachlässigung des Kontextes, Verknappung:
Auch das Handeln der Kinder steht in einem aktuellen und in einem biographischen Kontext. Eine Beobachtung ohne Versuch, die Beweggründe für bestimmte Handlungen zu klären, ist relativ wertlos. Ebenso wertlos ist eine Diagnose, die zu knapp ausfällt und mangels Kontextmitteilungen und Begründungen wie das Ergebnis zustande kam, nicht nachvollziehbar ist. Eine durchaus wünschenswerte Konzentration auf das Wesentliche bedeutet immer, dass damit das für den Beobachter zum Zeitpunkt des Protokolls Wesentliche gemeint ist. Auf das Wesentliche zusammengefasste Protokolle müssen daher eine Aussage darüber beinhalten, warum der Protokollant gerade das Beschriebene für wesentlich hält.

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Das Kind in seinem Umfeld

[Bronfenbrenner (1981, 162) vertritt die These, daß optimale Bedingungen für Lernen und Entwicklung dann gegeben sind, wenn das Kind an fortschreitend komplexeren Mustern wechselseitiger Tätigkeit und Interaktion mit anderen Menschen beteiligt wird. BRONFENBRENNER, Urie (1981): Die Ökologie der menschlichen Entwicklung. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 44. und S. 162 (USA 1979)]

Die kindliche Umwelt ist demnach zugleich Bedingung der kindlichen Entwicklung, Aneignungsziel und als Quelle der tätigen Auseinandersetzung Entwicklungsmotor. Dieser Prozeß schließt die Auseinandersetzung mit Tätigkeiten anderer Personen ein.

 


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Weiterführende Literatur zur Beobachtung:

Beck, Gertrud; Scholz, Gerold (1995): Beobachtung im Schulalltag. Ein Studien- und Praxisbuch. Frankfurt: Scriptor Cornelsen. Inhalt: Reflexion über Beobachtung von Unterricht

Greve, Werner; Wentura, Dirk (1997): Wissenschaftliche Beobachtung. Eine Einführung. Weinheim: Berltz Psychologie Verlags-Union. Inhalt: Beobachtung als wissenschaftliche Methode

Hebenstreit-Müller, Sabine; Kühnel, Barbara (Hrsg.) (2004): Kinderbeobachtung in Kitas. Erfahrungen und Methoden im ersten Early Exellence Centre in Berlin, Berlin: Dohrmann-Verlag. Inhalt: Beobachtungsmethoden für den Kindergarten

Hoppe, Almut; Hoßfeld, Heike (2001): Bewerten als Prozess. Dialog zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung, Braunschweig: Westermann. Inhalt: Beispiele, Verfahren, Instrumente, z.B. Gespräche über Bewertung, Sammlungen von Kriterien, Reflexion, Rückmeldung und Korrekturbögen, Ergänzungsblatt zum Zeugnis

Köck, Peter (1993): Praxis der Beobachtung. Eine Handreichung für den Erziehungs- und Unterrichtsalltag. Donauwörth: Auer. Inhalt: Lehrbuch zum Erlernen des Beobachtens in Schule und Kindergarten

Strätz, Rainer (1994): Beobachten. Anregungen für Erzieherinnen im Kindergarten. Stuttgart: Kohlhammer. Inhalt: Lehrbuch für das Erlernen des Beobachtens im Kindergarten

Ledl, Victor (2003): Kinder beobachten und fördern. Eine Handreichung zur gezielten Beobachtung und Förderung von Kindern mit besonderen Lern- und Erziehungsbedürfnissen bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf. Wien: Jugend und Volk. Inhalt: Vielfältige Beobachtungsbögen und Erklärungen dazu

Weigert, Hildegund; Weigert, Edgar (1993): Schülerbeobachtung - ein pädagogischer Auftrag. Weinheim: Beltz. Inhalt: Verschiedene Formen und Inhalte der Schülerbeobachtung


Weitere Literaturhinweise im Zusammenhang mit der Leistungsdokumentation finden Sie hier: Bildungsserver Hessen

 

Links zu Beobachtungsmethoden:

Beobachtungsinstrumente am Schulanfang - Bildungs- und Lerngeschichten:
http://www.vds-bildungsmedien.de/veranstaltungen/symposien-zur-didacta/symposien-2010/symposion-beobachtung_graf_bildungs-und-lerngeschichten.pdf

Bogen zur Beobachtung der Binnendifferenzierung:
http://www.schule.suedtirol.it/blikk/angebote/schulegestalten/eva/eva1300.htm

Auswahl von Aufgaben für die Beobachtung: FLEX-Hanbuch 6B, Kapitel 3.2
http://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/unterricht/rahmenlehrplaene_und_curriculare_materialien/grundschule/flex/flex_6B.pdf

Detailgenaue förderdiagnostische Lernbeobachtung: FLEX-Hanbuch 6B, Kapitel 3.3
http://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/unterricht/rahmenlehrplaene_und_curriculare_materialien/grundschule/flex/flex_6B.pdf

Anregung für Beobachtung mit einfachen Beobachtungsrastern
http://www.fachportal-paedagogik.de/fis_bildung/fis_list.html?feldname1=Schlagw%F6rter&feldinhalt1=%22BEOBACHTUNGSRASTER%22&ckd=yes&mtz=200

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letzte Aktualisierung: 20110502