Mehrpädagogensystem  
  1. Wofür ist die Kooperation in multiprofessionellen Teams in der Schuleingangsphase erforderlich? (Begründung)
  2. Merkmale des Mehrpädagogensystems in der Schuleingangsphase (Merkmale)
  3. Wann ist das Ziel eines geeigneten multiprofessionellen Teams
    erreicht, wann nicht?
    (Kriterien)
  4. Notwendige Ausgangslage für die Einrichtung multiprofessioneller
    Teams
    (Ausgangslage)
  5. Multiprofessionelle Teams sind notwendige
    Ausgangslage für andere Aspekte der Schuleingangsphase
    (Gewichtung)
  6. Zu entwickelnde Teilbereiche des Mehrpädagogensystems (Teilbereiche)
  7. Ansatzpunkte der Entwicklung multiprofessioneller Teams (Ansatzpunkte)
  8. Checkliste Teamentwicklung für Schulentwicklungsberater (Checkliste)


  1. Wofür ist die Kooperation in multiprofessionellen Teams in der Schuleingangsphase erforderlich? (Begründung)

    "Teamarbeit ... ist dort sinnvoll, wo ein genügendes Maß an direkter Zusammenarbeit bei der Leistungserstellung erforderlich ist. Wenn nach- oder nebeneinander, quasi taylorisiert und im Ablauf unabhängig von einander, Aufgaben durchgeführt werden, genügen im allgemeinen einfache Verabredungen, Vereinbarungen oder auch Koordination von oben. Meist ist dann auch wenig Engagement für Teamarbeit vorhanden: man will seine Arbeit abgegrenzt, allein verantwortlich und ungestört erledigen. Je schlichter die Produkte, je einfacher die Arbeitsabläufe sind und je eindeutiger Aufgabenstellungen formuliert werden können, um so geringer ist der Bedarf von Teamarbeit.
    Sobald es sich jedoch z.B. um schwach strukturierte oder diffuse Problemstellungen, komplexe Planungsaufgaben, komplizierte Entscheidungen bei unsicheren Ausgangslagen, kurz: um erschwertes verstehen und Darstellen, handelt, gewinnt Teamarbeit ihre Vorteile"

    (Voigt, Bert: "Team und Teamentwicklung", Organisationsentwicklung 3/93, S. 34-49, hier: S. 35f)

    In der Schuleingangsphase handelt es sich zum Teil um schwach strukturierte und diffuse Problemstellungen und um komplexe Planungsaufgaben. Denn es entstehen sehr heterogene Kindergruppen. Kein Kind wird zurückgestellt. Frühzeitig eingeschulte Kinder lernen mit schulpflichtigen Kindern gemeinsam in einer jahrgangsgemischten Stammgruppe (Schuljahrgang 1 und 2). Die Gruppe umfasst eine Altersspanne von ca. vier Jahren. Jedes Kind soll nach seinen Möglichkeiten lernen können, d.h. es erhält herausfordernde Aufgaben, die es gerade noch bewältigen kann. Zugleich muss die Stammgruppe sich zur Lerngemeinschaft integrieren, in der sich die Kinder gegenseitig in ihren Lernprozessen unterstützen. 25 verschiedene Kinder lernen zusammen und jedes gemäß seinem Entwicklungsstand.

    ErzieherInnen und SonderpädagogInnen unterstützen die differenzierte Arbeit im Unterricht und bringen einmal ihre spezifisch sozialpädagogischen Erfahrungen ein sowie ihre förderdiagnostische Kompetenz. Im Team entstehen Synergieeffekte, denn spezielle Erfahrungen gehen in die Planung ein. Es entwickelt sich etwas gemeinsames Neues: Binnendifferenzierter und integrativer Unterricht.

    Echte Teamarbeit setzt Veränderungen in der Institution und beim Einzelnen bereits voraus. Dann erst steigert sie die Leistungsfähigkeit der Institution Schule (Effektivität), indem sie es ermöglicht, die internen Verhältnisse und Abläufe bzgl. Information, Kommunikation und Kooperation zu thematisieren und zu verbessern. Es entsteht Verbindlichkeit durch ein Bewusstsein gegenseitigen aufeinander Angewiesenseins. Gemeinsame Qualitätsansprüche werden sinnvoll und damit ergibt sich die Chance, dass sie formuliert und umgesetzt werden. Zugleich verbessert Teamarbeit die erlebte Arbeitssituation der Mitarbeiter/-innen (Humanität), wenn sich ein Klima der Transparenz und des Vertrauens entwickelt. Offenheit und eine partnerschaftliche Einstellung werden sinnvoll und notwendig, denn Teamarbeit braucht gemeinsame Spielregeln, gemeinsame Ziele und schließlich ein gemeinsam zu entwickelndes Bild von einer wünschenswerten Schule.


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  3. Merkmale des Mehrpädagogensystems in der Schuleingangsphase (Merkmale)

    • Bildung multiprofessioneller Teams, die das Spezialwissen mitbringen, welches für die Förderung der unterschiedlichen Kinder erforderlich ist
    • Herausbildung einer mehrperspektivischen Sicht auf den Lebenslauf der Kinder
    • Integrative Förderung auch durch den Einsatz von Zweitbesetzungen (Bedarf in Abhängigkeit von der Qualifikation des Personals und der Heterogenität der Kindergruppe)
    • Senkung der Belastung der StammgruppenleiterIn, durch Möglichkeiten, gemeinsam über schwierige Aufgaben zu beraten, Verteilung der Verantwortung auf mehrere Schultern, Möglichkeit eines MentorInnensystems für einzelne Kinder
    • Bessere Zielabstimmung der Lehrpersonen in der Schuleingangsphase
    • Prozessnahe Kontrolle, ob die Vorgehensweisen tragen, daher weniger Aufwand für die Reparatur der Folgen falscher Vorgehensweisen
    • Erleichterung der Arbeit durch Offenheit, keine Konkurrenz


    Die Einführung des Mehrpädagogensystems ist ein Mittel zur Schulentwicklung. Sie

    • verändert grundlegende Handlungstheorien der Schule,
    • beeinflusst alle Ebenen der Organisation,
    • erfordert formelle und informelle Lernprozesse
    • bringt Synergieeffekte durch Integration des Handlungswissens verschiedener pädagogischer Professionen in einer neuen Arbeitsweise


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  5. Wann ist das Ziel eines geeigneten multiprofessionellen Teams
    erreicht, wann nicht? (Kriterien)

    Das Ziel der Einrichtung eines Mehrpädagogensystems ist erreicht, wenn

    • Teamarbeit von der ganzen Schule gewollt und akzeptiert ist
    • Teams ausreichend Freiraum für ihre Arbeit haben
    • die erforderlichen unterschiedlichen Kompetenzen im Team vorhanden sind
    • die Teampartner so zusammen wirken, dass kein Neben- oder Hintereinander der unterschiedlichen Vorgehensweisen erfolgt, sondern eine neue pädagogische Qualität der Arbeit sichtbar wird
    • geeignete Kooperationsstrukturen (Regeln, Orte, Zeiten, Informationen) bestehen, die die Zusammenarbeit in den Teams und zwischen den Teams unterstützen
    • sachliche Notwendigkeiten für die Teamarbeit vorhanden sind und gesehen werden
    • in der Schule ein offenes fehlerfreundliches Klima herrscht
    • die Möglichkeit geschaffen wurde, auch mit externen Spezialisten zu kooperieren (strukturelle Hürden beispielsweise unterschiedliche Zuständigkeiten überwunden sind)
    • wenn ein regionaler "Spezialkompetenzpool" vorhanden, bekannt ist und genutzt wird


    Das Ziel der Einrichtung eines Mehrpädagogensystems in der Schuleingangsphase ist verfehlt, wenn

    • weiterhin verschlossene Klassenzimmertüren üblich sind
    • kein Vertrauensverhältnis im Kollegium entstanden ist
    • keine oder nicht funktionierende Teamstrukturen eingerichtet wurden
    • die Vorteile und die Notwendigkeit der Teamarbeit nicht erkannt werden
    • die Teamstrukturen zwar eingerichtet sind, aber missbraucht werden


    Typische Missbrauchsformen für Teamstrukturen:

    Teamarbeit darf daher niemals als entlastende Unterstützung bzw. unverbindliches Vorschlagswesen von der Schulleitung missbraucht werden. Eine solche Einstellung konterkariert jegliche Möglichkeit echter Zusammenarbeit.

    Ebenso schädlich für echte Kooperation ist es, wenn heimliche Chefs (oder dominante Gruppen) die Einrichtung von Teamarbeit als eine Chance sehen, partiell die Macht zu übernehmen. Teams eignen sich auch nicht, um bereits festgefahrene Beziehungskonflikte im Kollegium aufzuarbeiten. Solche Konflikte müssen vorher gelöst werden. Es besteht sonst die Gefahr, dass die Teams im Kampf der Lager funktionalisiert werden.

    Lehrerinnen und Lehrer, die nicht gewohnt sind, zu kooperieren, werden zu Beginn der Zusammenarbeit erfahren, dass bislang unhinterfragte eigene Handlungsweisen plötzlich bewusst werden. Das führt zur Verunsicherung. Offene Diskussion pädagogischer Vorgehensweisen, gar ein Vergleich pädagogischer Leistung, sind bislang tabuiert, fallen unter eine ambivalente Kollegialitätsnorm, die eine Thematisierung von Schwächen schließlich als Kollegenklatsch außerhalb der offiziellen Kommunikation ermöglicht. Misstrauen nicht nur gegenüber der übergeordneten Ebene, sondern auch gegenüber Gleichrangigen ist ohne Offenheit vorprogrammiert und lässt keine Teamentwicklung zu.



    Stufen der Teamentwicklung in der Schule (in Anlehnung an: KOBAYASHI, I. (1994). Die Japan-Diät. 20 Schlüssel zum schlanken Unternehmen. Landsberg am Lech: Moderne Industrie.)

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  7. Notwendige Ausgangslage für die Einrichtung multiprofessioneller
    Teams(Ausgangslage)

    Kooperation Verschiedener setzt gleichzeitige Anwesenheit voraus, geeignete Räume und Arbeitsplätze, gemeinsame Sinnbezüge.

    Der Teambildungsprozess erfordert

    • Wissen über Teambildung (vielfältige Kompetenzen koppeln, Ziele, Regeln und Zuständigkeiten klären, Raum-Zeit-Strukturen bilden, in denen Kooperation leicht möglich ist etc.)
    • Können entwickeln: Systematisch erproben, wie gut zusammengearbeitet werden kann und daraus Schlüsse ziehen, Hilfsmittel entwickeln (z. B. Kooperationspläne, Orte für Informationen), erweiterte kommunikative Kompetenz entwickeln, sich öffnen und eigene Fehler als Anlass für Lernprozesse in das Team einbringen
    • Haltungen: Positive Einstellung zum gemeinsamen Projekt, Toleranz gegenüber anderen, Akzeptanz fremder Denk- und Verfahrensweisen, Wertschätzung der anderen

    Links:
    4managers: Teamentwicklung, Teammanagement

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  9. Multiprofessionelle Teams sind notwendige
    Ausgangslage für andere Aspekte der Schuleingangsphase (Gewichtung)

    Teamentwicklung ist ein zentraler Aspekt der Entwicklung einer neuen flexiblen Schuleingangsphase. Sie ist Voraussetzung für den Aufbau einer geeigneten integrativen Didaktik. Ohne die mehrperspektivische Sicht auf die Lernprozesse der Kinder und ohne Entlastung im Unterricht dürfte die erforderliche differenzierte und teilweise individuelle Förderung nicht optimal zu bewerkstelligen sein.
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  11. Zu entwickelnde Teilbereiche des Mehrpädagogensystems (Teilbereiche)

    Kooperationsebenen der Schule, die untereinander verzahnt werden müssen:

    a) Die Schulleitung
    b) Das Kollegium
    c) Die Pädagoginnen in der Schuleingangphase (großes Team)
    d) Die Teams der Stammgruppen (kleines Team)

    Aufgaben:

    a) Die Schulleitung sorgt für geeignete Kooperationsbedingungen (zeitlich, räumlich, personell)
    b) Das Kollegium entwickelt das Schulprogramm, in dem die Schuleingangphase verankert ist - bei größeren Schulen ist die Einrichtung einer Steuergruppe sinnvoll.
    c) Die PädagogInnen in der Schuleingangsphase organisieren in einem großen Team gemeinsam die Einführung und Entwicklung der neuen Schuleingangsphase in der Schule. Es ist sinnvoll, eine Person zu bestimmen, die die Projektleitung übernimmt
    d) Jedes Stammgruppenteam, das sind alle PädagogInnen, die in einer Stammgruppe kooperieren (meist GrundschullehrerIn, ErzieherIn, FörderschullehrerIn), plant gemeinsam den Unterricht und alles was dazu gehört (Lernentwicklungsdokumentation, Leistungsbeurteilung, Lernumgebung etc.) und führt ihn kooperativ und arbeitsteilig durch.


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  13. Ansatzpunkte der Entwicklung multiprofessioneller Teams (Ansatzpunkte)

    Ansatzpunkte für die Entwicklung der Kooperation zwischen GrundschullehrerInnen, FörderschullehrerInnen (Behindertenpädagogik) und ErzieherInnen in der Schuleingangsphase

    Während des Schulversuchs "Veränderte Schuleingangsphase" in Thüringen bauten GrundschullehrerInnen, ErzieherInnen und FörderschullehrerInnen an jeder Schule eine funktionstüchtige Kooperation auf. Kooperationsbarrieren mussten überwunden, neue Strukturen aufgebaut werden:


    • Überwindung der Isolierung im Klassenzimmer durch Einführung von Doppelbesetzung
    • Überwindung der auf den Unterricht beschränkte Anwesenheit an der Schule und damit verbunden zu geringe Kooperationszeit durch Einführung fester Teamsitzungen am Nachmittag
    • Beschränkung der Konferenzen auf formellen Austausch zugunsten fachlich-inhaltlicher Dienstbesprechungen, die dem Kompetenztransfer dienlich sind
    • Aufbau einer Teamstruktur durch Einrichtung von Stammgruppenteams und Schulversuchsteam mit Einbindung in die Struktur der ganzen Schule
    • Überwindung der Überlastung von Konferenzen und Teamsitzungen mit Formalitäten durch Delegation von Teilaufgaben (und Verantwortlichkeiten), die nicht unbedingt im Team erledigt werden müssen
    • Abbau einer "Unter-den-Tisch-kehr-Kultur" durch einen zunehmend offeneren Umgang mit der eigenen Unzulänglichkeit
    • Aufhebung der Isolierung der Fachkompetenzen in spezifischen Tätigkeitsbereichen durch die gemeinsame Arbeit, um dem neuen pädagogischen Anspruch gerecht zu werden

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  15. Checkliste Teamentwicklung für Schulentwicklungsberater (Checkliste)

    Kurzcheckliste zur Analyse der Ausgangslage der Schule für die Einführung der Schuleingangsphase

    Detaillierte Checkliste für Schulentwicklungsberater zur Teamarbeit:

    1. Wie sieht die Teamstruktur der Schule genau aus?
      • Großes Team, kleines Team, Fachteams
      • Querstrukturen zur Verlinkung der Teams
      • Kooperation zwischen Schuleingangsphase und den anderen LehrerInnen
    2. Wie integriert sind die Teams?
      • Finden regelmäßige Teambesprechungen statt (Jour fixe)? Wann und wo? Wer nimmt teil?
      • Herrscht die Haltung vor, Fehler als Chance zum Lernen zu werten? Woran ist das zu erkennen?

      • Sind alle Teammitglieder bei Entscheidungen, die das Arbeitsfeld des Teams betreffen, eingebunden? Weiß jeder bezüglich der laufenden Arbeiten im Team Bescheid? (z.B.: Wie wird die Lernentwicklungsdokumentation abgestimmt?)

      • Versteht sich das Team als Leistungsträger? Z.B. Arbeit und Ergebnisse der Teamarbeit werden visualisiert und schulintern veröffentlicht, damit die anderen wissen, was dieses Team arbeitet.

      • Gibt es im Team Arbeitsteilung? Wie ist sie begründet? Wie funktioniert sie?

      • Kennen die Teammitglieder die fachlichen Stärken der einzelnen?

    3. Fördert die Schulleitung die Teamarbeit?
      • Anerkennung und Kritik der Teamleistung vor der individuellen Leistung
      • Schulleitung sieht sich als Coach, Förderer, Begleiter
      • Schulleitung delegiert Verantwortung an die Teams
      • Schulleitung fördert die Qualifizierung der Teams
      • Die Arbeitszeitstruktur der Schule ist für Teamarbeit geeignet (Stundenplan, ausgewiesene Teamzeiten, ausreichend Doppelbesetzung)
      • Es gibt einen entsprechend ausgestatteten Ort, an dem das Team arbeiten kann (Moderationsmaterial, Flipchart, Möglichkeiten Teammaterial aufzubewahren etc.)
      • Es ist eine Struktur eingerichtet und allen Betroffenen transparent, wie die Vernetzung der Teams und Ebenen untereinander erfolgt
      • Teamsprecher sind in die Entscheidungen der nächsten Ebene und in Querstrukturen (z.B. in Fachkonferenzen) eingebunden (kleines Team in großes Team, großes Team in Gesamtkollegium)
      • Mittel werden teilweise teambezogen vergeben (z.B. für die Gestaltung des Stammgruppenraumes)

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