- Wofür ist die Kooperation in multiprofessionellen Teams in der
Schuleingangsphase erforderlich? (Begründung)
"Teamarbeit ... ist dort sinnvoll, wo ein genügendes Maß
an direkter Zusammenarbeit bei der Leistungserstellung erforderlich
ist. Wenn nach- oder nebeneinander, quasi taylorisiert und im Ablauf
unabhängig von einander, Aufgaben durchgeführt werden, genügen
im allgemeinen einfache Verabredungen, Vereinbarungen oder auch Koordination
von oben. Meist ist dann auch wenig Engagement für Teamarbeit vorhanden:
man will seine Arbeit abgegrenzt, allein verantwortlich und ungestört
erledigen. Je schlichter die Produkte, je einfacher die Arbeitsabläufe
sind und je eindeutiger Aufgabenstellungen formuliert werden können,
um so geringer ist der Bedarf von Teamarbeit.
Sobald es sich jedoch z.B. um schwach strukturierte oder diffuse Problemstellungen,
komplexe Planungsaufgaben, komplizierte Entscheidungen bei unsicheren
Ausgangslagen, kurz: um erschwertes verstehen und Darstellen, handelt,
gewinnt Teamarbeit ihre Vorteile"
(Voigt, Bert: "Team und Teamentwicklung", Organisationsentwicklung
3/93, S. 34-49, hier: S. 35f)
In der Schuleingangsphase handelt es sich zum Teil um schwach strukturierte
und diffuse Problemstellungen und um komplexe Planungsaufgaben. Denn
es entstehen sehr heterogene Kindergruppen. Kein Kind wird zurückgestellt.
Frühzeitig eingeschulte Kinder lernen mit schulpflichtigen Kindern
gemeinsam in einer jahrgangsgemischten Stammgruppe (Schuljahrgang 1
und 2). Die Gruppe umfasst eine Altersspanne von ca. vier Jahren. Jedes
Kind soll nach seinen Möglichkeiten lernen können, d.h. es
erhält herausfordernde Aufgaben, die es gerade noch bewältigen
kann. Zugleich muss die Stammgruppe sich zur Lerngemeinschaft integrieren,
in der sich die Kinder gegenseitig in ihren Lernprozessen unterstützen.
25 verschiedene Kinder lernen zusammen und jedes gemäß seinem
Entwicklungsstand.
ErzieherInnen und SonderpädagogInnen unterstützen die differenzierte
Arbeit im Unterricht und bringen einmal ihre spezifisch sozialpädagogischen
Erfahrungen ein sowie ihre förderdiagnostische Kompetenz. Im
Team entstehen Synergieeffekte, denn spezielle Erfahrungen gehen in
die Planung ein. Es entwickelt sich etwas gemeinsames Neues: Binnendifferenzierter
und integrativer Unterricht.
Echte Teamarbeit setzt Veränderungen in der Institution und
beim Einzelnen bereits voraus. Dann erst steigert sie die Leistungsfähigkeit
der Institution Schule (Effektivität), indem sie es ermöglicht,
die internen Verhältnisse und Abläufe bzgl. Information,
Kommunikation und Kooperation zu thematisieren und zu verbessern.
Es entsteht Verbindlichkeit durch ein Bewusstsein gegenseitigen aufeinander
Angewiesenseins. Gemeinsame Qualitätsansprüche werden sinnvoll
und damit ergibt sich die Chance, dass sie formuliert und umgesetzt
werden. Zugleich verbessert Teamarbeit die erlebte Arbeitssituation
der Mitarbeiter/-innen (Humanität), wenn sich ein Klima der Transparenz
und des Vertrauens entwickelt. Offenheit und eine partnerschaftliche
Einstellung werden sinnvoll und notwendig, denn Teamarbeit braucht
gemeinsame Spielregeln, gemeinsame Ziele und schließlich ein
gemeinsam zu entwickelndes Bild von einer wünschenswerten Schule.
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- Merkmale des Mehrpädagogensystems in der Schuleingangsphase (Merkmale)
- Bildung multiprofessioneller Teams, die das Spezialwissen mitbringen,
welches für die Förderung der unterschiedlichen Kinder
erforderlich ist
- Herausbildung einer mehrperspektivischen Sicht auf den Lebenslauf
der Kinder
- Integrative Förderung auch durch den Einsatz von Zweitbesetzungen
(Bedarf in Abhängigkeit von der Qualifikation des Personals
und der Heterogenität der Kindergruppe)
- Senkung der Belastung der StammgruppenleiterIn, durch Möglichkeiten,
gemeinsam über schwierige Aufgaben zu beraten, Verteilung der
Verantwortung auf mehrere Schultern, Möglichkeit eines MentorInnensystems
für einzelne Kinder
- Bessere Zielabstimmung der Lehrpersonen in der Schuleingangsphase
- Prozessnahe Kontrolle, ob die Vorgehensweisen tragen, daher weniger
Aufwand für die Reparatur der Folgen falscher Vorgehensweisen
- Erleichterung der Arbeit durch Offenheit, keine Konkurrenz
Die Einführung des Mehrpädagogensystems ist ein Mittel
zur Schulentwicklung. Sie
- verändert grundlegende Handlungstheorien der Schule,
- beeinflusst alle Ebenen der Organisation,
- erfordert formelle und informelle Lernprozesse
- bringt Synergieeffekte durch Integration des Handlungswissens
verschiedener pädagogischer Professionen in einer neuen Arbeitsweise
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- Wann ist das Ziel eines geeigneten multiprofessionellen Teams
erreicht, wann nicht? (Kriterien)
Das Ziel der Einrichtung eines Mehrpädagogensystems ist erreicht,
wenn
- Teamarbeit von der ganzen Schule gewollt und akzeptiert ist
- Teams ausreichend Freiraum für ihre Arbeit haben
- die erforderlichen unterschiedlichen Kompetenzen im Team vorhanden
sind
- die Teampartner so zusammen wirken, dass kein Neben- oder Hintereinander
der unterschiedlichen Vorgehensweisen erfolgt, sondern eine neue
pädagogische Qualität der Arbeit sichtbar wird
- geeignete Kooperationsstrukturen (Regeln, Orte, Zeiten, Informationen)
bestehen, die die Zusammenarbeit in den Teams und zwischen den Teams
unterstützen
- sachliche Notwendigkeiten für die Teamarbeit vorhanden sind
und gesehen werden
- in der Schule ein offenes fehlerfreundliches Klima herrscht
- die Möglichkeit geschaffen wurde, auch mit externen Spezialisten
zu kooperieren (strukturelle Hürden beispielsweise unterschiedliche
Zuständigkeiten überwunden sind)
- wenn ein regionaler "Spezialkompetenzpool" vorhanden,
bekannt ist und genutzt wird
Das Ziel der Einrichtung eines Mehrpädagogensystems in der Schuleingangsphase
ist verfehlt, wenn
- weiterhin verschlossene Klassenzimmertüren üblich sind
- kein Vertrauensverhältnis im Kollegium entstanden ist
- keine oder nicht funktionierende Teamstrukturen eingerichtet wurden
- die Vorteile und die Notwendigkeit der Teamarbeit nicht erkannt
werden
- die Teamstrukturen zwar eingerichtet sind, aber missbraucht werden
Typische Missbrauchsformen für Teamstrukturen:
Teamarbeit darf daher niemals als entlastende Unterstützung bzw.
unverbindliches Vorschlagswesen von der Schulleitung missbraucht werden.
Eine solche Einstellung konterkariert jegliche Möglichkeit echter
Zusammenarbeit.
Ebenso schädlich für echte Kooperation ist es, wenn heimliche
Chefs (oder dominante Gruppen) die Einrichtung von Teamarbeit als
eine Chance sehen, partiell die Macht zu übernehmen. Teams eignen
sich auch nicht, um bereits festgefahrene Beziehungskonflikte im Kollegium
aufzuarbeiten. Solche Konflikte müssen vorher gelöst werden.
Es besteht sonst die Gefahr, dass die Teams im Kampf der Lager funktionalisiert
werden.
Lehrerinnen und Lehrer, die nicht gewohnt sind, zu kooperieren, werden
zu Beginn der Zusammenarbeit erfahren, dass bislang unhinterfragte
eigene Handlungsweisen plötzlich bewusst werden. Das führt
zur Verunsicherung. Offene Diskussion pädagogischer Vorgehensweisen,
gar ein Vergleich pädagogischer Leistung, sind bislang tabuiert,
fallen unter eine ambivalente Kollegialitätsnorm, die eine Thematisierung
von Schwächen schließlich als Kollegenklatsch außerhalb
der offiziellen Kommunikation ermöglicht. Misstrauen nicht nur
gegenüber der übergeordneten Ebene, sondern auch gegenüber
Gleichrangigen ist ohne Offenheit vorprogrammiert und lässt keine
Teamentwicklung zu.

Stufen der Teamentwicklung in der Schule (in Anlehnung an: KOBAYASHI,
I. (1994). Die Japan-Diät. 20 Schlüssel zum schlanken Unternehmen.
Landsberg am Lech: Moderne Industrie.)
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- Notwendige Ausgangslage für die Einrichtung multiprofessioneller
Teams(Ausgangslage)
Kooperation Verschiedener setzt gleichzeitige Anwesenheit voraus, geeignete
Räume und Arbeitsplätze, gemeinsame Sinnbezüge.
Der Teambildungsprozess erfordert
- Wissen über Teambildung (vielfältige Kompetenzen koppeln,
Ziele, Regeln und Zuständigkeiten klären, Raum-Zeit-Strukturen
bilden, in denen Kooperation leicht möglich ist etc.)
- Können entwickeln: Systematisch erproben, wie gut zusammengearbeitet
werden kann und daraus Schlüsse ziehen, Hilfsmittel entwickeln
(z. B. Kooperationspläne, Orte für Informationen), erweiterte
kommunikative Kompetenz entwickeln, sich öffnen und eigene
Fehler als Anlass für Lernprozesse in das Team einbringen
- Haltungen: Positive Einstellung zum gemeinsamen Projekt, Toleranz
gegenüber anderen, Akzeptanz fremder Denk- und Verfahrensweisen,
Wertschätzung der anderen
Links:
4managers: Teamentwicklung,
Teammanagement
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- Multiprofessionelle Teams sind notwendige
Ausgangslage für andere Aspekte der Schuleingangsphase (Gewichtung)
Teamentwicklung ist ein zentraler Aspekt der Entwicklung einer neuen
flexiblen Schuleingangsphase. Sie ist Voraussetzung für den Aufbau
einer geeigneten integrativen Didaktik. Ohne die mehrperspektivische
Sicht auf die Lernprozesse der Kinder und ohne Entlastung im Unterricht
dürfte die erforderliche differenzierte und teilweise individuelle
Förderung nicht optimal zu bewerkstelligen sein.
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- Zu entwickelnde Teilbereiche des Mehrpädagogensystems (Teilbereiche)
Kooperationsebenen der Schule, die untereinander verzahnt werden
müssen:
a) Die Schulleitung
b) Das Kollegium
c) Die Pädagoginnen in der Schuleingangphase (großes Team)
d) Die Teams der Stammgruppen (kleines Team)
Aufgaben:
a) Die Schulleitung sorgt für geeignete Kooperationsbedingungen
(zeitlich, räumlich, personell)
b) Das Kollegium entwickelt das Schulprogramm, in dem die Schuleingangphase
verankert ist - bei größeren Schulen ist die Einrichtung
einer Steuergruppe sinnvoll.
c) Die PädagogInnen in der Schuleingangsphase organisieren in
einem großen Team gemeinsam die Einführung und Entwicklung
der neuen Schuleingangsphase in der Schule. Es ist sinnvoll, eine
Person zu bestimmen, die die Projektleitung übernimmt
d) Jedes Stammgruppenteam, das sind alle PädagogInnen, die in
einer Stammgruppe kooperieren (meist GrundschullehrerIn, ErzieherIn,
FörderschullehrerIn), plant gemeinsam den Unterricht und alles
was dazu gehört (Lernentwicklungsdokumentation, Leistungsbeurteilung,
Lernumgebung etc.) und führt ihn kooperativ und arbeitsteilig
durch.
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- Ansatzpunkte der Entwicklung multiprofessioneller Teams (Ansatzpunkte)
Ansatzpunkte für die Entwicklung der Kooperation zwischen GrundschullehrerInnen,
FörderschullehrerInnen (Behindertenpädagogik) und ErzieherInnen
in der Schuleingangsphase
Während des Schulversuchs "Veränderte Schuleingangsphase"
in Thüringen bauten GrundschullehrerInnen, ErzieherInnen und
FörderschullehrerInnen an jeder Schule eine funktionstüchtige
Kooperation auf. Kooperationsbarrieren mussten überwunden, neue
Strukturen aufgebaut werden:
- Überwindung der Isolierung im Klassenzimmer durch Einführung
von Doppelbesetzung
- Überwindung der auf den Unterricht beschränkte Anwesenheit
an der Schule und damit verbunden zu geringe Kooperationszeit durch
Einführung fester Teamsitzungen am Nachmittag
- Beschränkung der Konferenzen auf formellen Austausch zugunsten
fachlich-inhaltlicher Dienstbesprechungen, die dem Kompetenztransfer
dienlich sind
- Aufbau einer Teamstruktur durch Einrichtung von Stammgruppenteams
und Schulversuchsteam mit Einbindung in die Struktur der ganzen
Schule
- Überwindung der Überlastung von Konferenzen und Teamsitzungen
mit Formalitäten durch Delegation von Teilaufgaben (und Verantwortlichkeiten),
die nicht unbedingt im Team erledigt werden müssen
- Abbau einer "Unter-den-Tisch-kehr-Kultur" durch einen
zunehmend offeneren Umgang mit der eigenen Unzulänglichkeit
- Aufhebung der Isolierung der Fachkompetenzen in spezifischen Tätigkeitsbereichen
durch die gemeinsame Arbeit, um dem neuen pädagogischen Anspruch
gerecht zu werden
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- Checkliste Teamentwicklung für Schulentwicklungsberater (Checkliste)
Kurzcheckliste
zur Analyse der Ausgangslage der Schule für die Einführung
der Schuleingangsphase
Detaillierte Checkliste für Schulentwicklungsberater zur Teamarbeit:
- Wie sieht die Teamstruktur der Schule genau aus?
- Großes Team, kleines Team, Fachteams
- Querstrukturen zur Verlinkung der Teams
- Kooperation zwischen Schuleingangsphase und den anderen LehrerInnen
- Wie integriert sind die Teams?
- Finden regelmäßige Teambesprechungen statt (Jour
fixe)? Wann und wo? Wer nimmt teil?
-
Herrscht die Haltung vor, Fehler als Chance zum Lernen zu werten?
Woran ist das zu erkennen?
-
Sind alle Teammitglieder bei Entscheidungen, die das Arbeitsfeld
des Teams betreffen, eingebunden? Weiß jeder bezüglich
der laufenden Arbeiten im Team Bescheid? (z.B.: Wie wird die
Lernentwicklungsdokumentation abgestimmt?)
-
Versteht sich das Team als Leistungsträger? Z.B. Arbeit
und Ergebnisse der Teamarbeit werden visualisiert und schulintern
veröffentlicht, damit die anderen wissen, was dieses Team
arbeitet.
-
Gibt es im Team Arbeitsteilung? Wie ist sie begründet?
Wie funktioniert sie?
-
Kennen die Teammitglieder die fachlichen Stärken der einzelnen?
- Fördert die Schulleitung die Teamarbeit?
- Anerkennung und Kritik der Teamleistung vor der individuellen
Leistung
- Schulleitung sieht sich als Coach, Förderer, Begleiter
- Schulleitung delegiert Verantwortung an die Teams
- Schulleitung fördert die Qualifizierung der Teams
- Die Arbeitszeitstruktur der Schule ist für Teamarbeit
geeignet (Stundenplan, ausgewiesene Teamzeiten, ausreichend Doppelbesetzung)
- Es gibt einen entsprechend ausgestatteten Ort, an dem das Team
arbeiten kann (Moderationsmaterial, Flipchart, Möglichkeiten
Teammaterial aufzubewahren etc.)
- Es ist eine Struktur eingerichtet und allen Betroffenen transparent,
wie die Vernetzung der Teams und Ebenen untereinander erfolgt
- Teamsprecher sind in die Entscheidungen der nächsten Ebene
und in Querstrukturen (z.B. in Fachkonferenzen) eingebunden (kleines
Team in großes Team, großes Team in Gesamtkollegium)
- Mittel werden teilweise teambezogen vergeben (z.B. für
die Gestaltung des Stammgruppenraumes)
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