Didaktik  

 

  1. Warum ist eine neue Didaktik erforderlich? (Begründung)
  2. Merkmale einer Didaktik der Flexiblen Schuleingangsphase (Merkmale)
  3. Wann ist dieses Ziel erreicht, wann nicht? (Kriterien)
  4. Notwendige Ausgangslage für die Entwicklung einer neuen Didaktik
    (Ausgangslage und Schuleingangsdiagnostik)
  5. Didaktik hat Auswirkungen auf weitere Aspekte der Schuleingangsphase (Gewichtung)
  6. Zu entwickelnde Teilbereiche der neuen Didaktik (Teilbereiche)
  7. Ansatzpunkte didaktischer Entwicklung (Ansatzpunkte)
  8. a) Didaktik-Checkliste für Schulentwicklungsberater (Ursprungsfassung)
    b) Checkliste Schuleingsphase (weiter entwickelte Fassung 2008)
    c) Qualitätsmerkmale für den Unterricht an der Basisstufe (Kanton Bern - Mai 2009)
  9. Hintergrundwissen zur Allgemeinen Didaktik
  10. Sammlung Unterrichtsmethoden
  11. Binnendifferenzierung
  12. Merkmale guten Unterrichts
  13. Kooperative Lernformen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


1. Warum ist eine neue Didaktik erforderlich? (Begründung)

    In der Schuleingangsphase gibt es keine Zurückstellungen mehr, außer bei medizinischer Indikation. Alle Kinder werden gemeinsam im Bildungsgang Grundschule unterrichtet, auch diejenigen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, Kinder mit sehr unterschiedlichen Begabungen, Persönlichkeitsmerkmalen und Umfeldbedingungen, Kinder mit unterschiedlichen Leistungen.
    Zugleich soll die Qualität des Lernens in der Schuleingangsphase für jedes Kind auf hohem Niveau sicher gestellt sein. Die Schuleingangsphase ist kind- und leistungsorientiert – kein Widerspruch, denn Kinder wollen leisten.
    Die Integrative Didaktik ist sozusagen das Herz der Schuleingangsphase. Ihr Funktionieren auf hohem Niveau ist unhintergehbare Grundlage. Muss die integrative Didaktik deshalb als erstes entwickelt werden? Nein, Vielfalt-Kompetenz wächst mit den Aufgaben. Es hat sich gezeigt, dass die Bewusstwerdung der Heterogenität besser gelingt, wenn die Heterogenität unübersehbar ist. Das ist in jahrgangsgemischten Gruppen eher der Fall. Weitere Voraussetzungen sind die Zustimmung zu einer Pädagogik der Vielfalt und der Wunsch alle Kinder angemessen zu fördern. Für die Umstellung ist Fortbildung unterstützend erforderlich. Denn Einsicht und guter Wille reichen nicht aus. Es ist eine umfangreiche Qualifikation nötig.

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    2. Merkmale einer Didaktik der integrativen, jahrgangsgemischten und flexiblen Schuleingangsphase

    Unterricht erreicht die Kinder mit den sehr unterschiedlichen Lernvoraussetzungen durch differenzierte Angebote, wenn die Binnendifferenzierung drei Standbeine der Fundierung besitzt:

    1. Beobachtung des Kindes, seiner Lernwege, Interessen, persönlichen Merkmale
    2. Sachanalyse, die den Kern des zu vermittelnden Inhaltes herausgearbeitet hat
    3. Vorstellungen von idealtypischen Entwicklungsmodellen, um die Zone der nächsten Entwicklung zu erkennen

    Die drei Standbeine lassen sich auch auf die Integration der Lerngemeinschaft übertragen.

    Lernen folgt aber nicht unmittelbar eins zu eins dem Lehren. Wichtig ist, dass Kinder sich ihre Erkenntnisse selbst erschließen können, Vorstellungen von der Welt entwickeln und aufgrund neuer Erkenntnisse verwerfen, umbauen. Beispiel
    Es muss eine Lernumgebung geschaffen werden, die Kindern eigenständiges Arbeiten ermöglicht und Lehrerinnen und Lehrern Material bereitstellt, damit sie spontan mit minimalen Hilfen unterstützen können, wenn Lernschleifen erforderlich sind.
    Aufgaben müssen anspruchsvoll sein, Reflexion und Ko-Konstruktion anregen, für unterschiedliche Kinder Möglichkeiten der Auseinandersetzung auf ihrem Niveau bieten (offen genug sein). Zur besonderen Stellung der Aufgabenqualität für die Weiterentwicklung der Schuleingangsphase siehe "Hintergrundwissen zur Allgemeinen Didaktik", "Aufgabenqualität".

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    3. Wann ist das Ziel erreicht, wann nicht? (Kriterien)

    Positives Beispiel (Unterricht):
    Die Kinder der jahrgangsgemischten Stammgruppe arbeiten an einem gemeinsamen Gegenstand, beispielsweise lesen sie eine Geschichte. Durch eine Prozessbeobachtung kann die Lehrerin mindestens 6 verschiedene Nivaus des Leselernprozesses ausmachen. Für jedes Niveau stellt sie Texte mit angepasstem Schwierigkeitsgrad bereit. Sie organisiert den Unterricht so, dass sich die Kinder für die Texte der anderen interessieren. Nach der individuellen Texterarbeitung lesen sich Kinder ihre Texte gegenseitig vor. Die Gemeinsamkeit wird durch ein gemeinsames Produkt, z.B. den Tafelanschrieb der Kinder sichtbar (Carle, Ursula/Berthold, Barbara (2004): Schuleingangsphase entwickeln – Leistung fördern. Wie 15 staatliche Grundschulen in Thüringen die flexible, jahrgangsgemischte und integrative Schuleingangsphase einrichten. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren, S. 63 ff).

    Negatives Beispiel (Unterricht):
    Die Lehrerin kann die Differenzierungsniveaus nicht erkennen und bietet daher nur zwei verschiedene Schwierigkeitsgrade an. Mehrere Kinder sind unter- oder überfordert. Es kommt nicht zu einer Kooperation der Kinder.

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    4. Notwendige Ausgangslage für die Entwicklung einer neuen Didaktik

Der Unterricht muss sich an den Interessen und Fähigkeiten der Kinder orientieren. Für die Schuleingangsphase sind dazu geeignete Instrumente zur Schuleingangsdiagnostik unerlässlich. >>>

Vorläuferkompetenzen sind:

    • Kinder aufmerksam in ihrer Entwicklung wahrnehmen
    • Beobachtungsmethoden kennen und anwenden
    • Domänespezifische Entwicklungsmodelle kennen
    • Sachanalyse und didaktische Analyse beherrschen

Nötige Einstellungen sind:

    • Ein dynamischer Begabungsbegriff
    • Vertrauen in das Lernen der Kinder, ko-konstruktivistische Grundhaltung
    • Wertschätzung von Differenz und Einmaligkeit

Ausstattungsvoraussetzungen sind:

    • Ausreichend große Räume für offene Unterrichtsformen
    • Basisausstattung der Lernumgebung
    • Doppelbesetzung im Verlauf der Woche erforderlich

Kooperationsinteressen sind ebenso notwendig, wie interessierte Kooperationspartner im Kollegium
Eltern sollten neuen Methoden offen gegenüberstehen, Vertrauensverhältnis Elternhaus - Schule

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5. Didaktik hat Auswirkungen auf weitere Aspekte der Schuleingangsphase (Gewichtung)

Eine Integrative Didaktik ist Voraussetzung für gemeinsamen Unterricht aller Kinder der Schuleingangsphase im Bildungsgang Grundschule.Von ihrem Gelingen hängt es ab, ob die Kinder gerne lernen, ein hohes Selbstbewusstein aufbauen, wie sie miteinander über ihre Fragen diskutieren, sich in ihre Arbeit vertiefen, Interessen entwickeln und mit Ausdauer verfolgen, wie sie ihre Arbeiten planvoll gestalten und mit welchen Schlussfolgerungen sie das Ergebnis überprüfen.


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    6. Zu entwickelnde Teilbereiche der neuen Didaktik

    • Lernumgebung
    • Schulinterner Lehrplan für Jahrgangsmischung (Spiralcurriculum)
    • Unterrichtsplanung
    • Prozessbeobachtung
    • Anspruchsvolle Aufgabenstellungen
    • Classroom Management
    • Unterrichtskonzept für Altermischung
    • Soziales Lernen fördernde Methoden
    • Wertschätzung von Schülerleistung durch Präsentationsmöglichkeiten für Schülerarbeiten

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    7. Ansatzpunkte didaktischer Entwicklung

    • Auf die Heterogenität der Kinder aufmerksam werden, z. B. durch Einführung jahrgangsgemischter Klassen
    • Erfahren, wie wertvoll jedes einzelne Kind ist
    • Jedem Kind gerecht werden
    • Dafür Lösungsmöglichkeiten suchen (z. B. Lernen durch Besuchen)
      • Beispiele für differenzierte Aufgaben und offene Aufgaben samt Erfahrungsberichten
      • Ein System, mit dem die Arbeit an Unterschiedlichem für LehrerIn und SchülerIn übersichtlich bleibt kennenlernen
      • Wertschätzung der Arbeit der Einzelnen, ohne sie an der Arbeit der Gruppe zu messen, Leistungsdokumentation ändern
      • Kinder lernen von Kindern, dafür Rahmen schaffen
      • Mehr eigenständige Arbeit der Kinder, dafür eine gut ausgestattete Lernumgebung kennen lernen
      • "Wissen über Inclusion (Integration)"

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    8a. Checkliste zur Beurteilung der Ausgangslage für Schulentwicklungsberater (ursprüngliche Fassung)

      Minimum
    Ziel
    Lernumgebung
    Es gibt im Klassenzimmer Material, das Kinder selbstständig verwenden können
    Lernumgebung ist wohlgeordnet, enthält Arbeitsmittel, Werkzeug, Nachschlagewerke, Übungsspiele, Material für Lernschleifen etc.
    Prozessbeobachtung LehrerIn hat einen Blick dafür, wie Kinder lernen, notiert täglich, was ihr auffällt
    Lernbeobachtung mit System, jedes Kind, seine Zugänge, Ansatzpunkte für Förderung, schriftlich
    Unterrichtsplanung Langfristige, mittel- u. kurzfristige Planung, ziel- nicht buchorientiert
    Planungssystem, das Kinder beteiligt (Offenheit, Interesse), legt Basis für individuelle Förderung
    Binnendifferenzierung Mindestens zwei Niveaus in der Jahrgangsklasse in jedem Fach, begründet
    So viele Differenzierungsniveaus wie nötig, Differenzierung durch Lernbeobachtung basiert
    Individuelle Lernpläne
    Im kurzfristigen Plan werden zwei Niveaus ausgewiesen
    Portfoliomappe je Kind, in der auch Lernpläne sind (z.B. individueller Wochenplan)
    Aufgabenqualität
    Schulbuchbasiert, jedoch mit Reflexion und kindeigenen Vorhaben
    Jedes Kind etwas oberhalb seiner Leistungsgrenze angesprochen, Kinder denken und diskutieren
    Unterrichtskonzept Effektives Classroom Management, Offene Phasen, Formen der Kontrolle,
    System, in dem L. jedes Kind anspricht, ins Reflektieren bringt – plus Kinder lernen von K.
    Mitbestimmung der Kinder
    Regeln der Kooperation
    Kinder wählen Inhalte, Partner, regeln selbst ihre Angelegenheiten, dafür gibt es einen Rahmen

    Dimensionen der Entwicklung

    - Merkmal ist noch nicht sichtbar
    - Merkmal ist organisatorisch eingeführt, aber pädagogisch noch nicht wirksam
    - Merkmal ist nun auch pädagogisch wirksam
    - Merkmal ist organisatorisch und pädagogisch gut ausgebaut
    - Merkmal ist so gut verankert, dass es auch dann noch wirkt, wenn eine der Lehrpersonen wechselt

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    8b. Checkliste Schuleingangsphase 2008

    Zwischen 2006 und 2007 wurde von Sabine Klose ein Instrument entwickelt, das in einer zeitlich und inhaltlich fokussierten Form die Unterrichtsqualität Thüringer Schuleingangsphasen erfassen soll und im Rahmen der Entwicklungsbeschreibung der BeSTe-Schulen sowie zur Evaluation eigenverantwortlicher Grundschulen (EVAS) eingesetzt werden kann.

    Ziel war es, aus den Quellen des "Thüringer Qualitätsinstruments für die Schuleingangsphase (TQSE)" ein Instrument zur Qualitätsbeschreibung der integrativen, klassenstufenübergreifenden und flexiblen Schuleingangsphase zu entwickeln. Dabei sollte dieses Instrument - auch im Kontext des thüringer Schulentwicklungsvorhabens "Eigenverantwortliche Schule (EVAS)" - ein Vorgehen formalisieren helfen, das geeignet ist, den Entwicklungsstand der Schuleingangsphase an Thüringer Grundschulen in einem zeitlich befristeten Umfang zu beschreiben und gleichzeitig dadurch deren Weiterentwicklung anzuregen.

    Die "Checkliste Schuleingangsphase" kann zur Selbst- und Fremdevaluation eingesetzt werden, wobei der Begriff Evaluation hierbei im Sinne von "den vorliegenden Entwicklungsstand beschreiben und nächste Entwicklungsschritte ableiten" aufgefasst wird. Der Komplexität von Unterricht entsprechend ist die Checkliste Schuleingangsphase kein diagnostisches Instrument im Sinne eines standardisierten und objektivierten Testverfahrens, sondern ein dialogisches Beschreibungsmuster, das helfen kann, mit den ProzessexpertInnen gemeinsam eine gültige Entwicklungsstandsbeschreibung herauszuarbeiten. Die Checkliste Schuleingangsphase bildet also eine formalisierte Grundlage für ein dialogisches Diagnoseverfahren.

    Die"Checkliste Schuleingangsphase" findet sich im Internet unter der URL (Stand 2009_05): http://thillm.uni-jena.de/pf_dokumente/veranstmat/12_Check_SEPh.doc

    Eine nichtauthorisierte Ausgabe von Ankerbeispielen und ein ebenfalls nicht authorisiertes Glossar zur Checkliste Schuleingangsphase finden sich hier: Ankerbeispiele; Glossar

     

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    8c. Qualitätsmerkmale für den Unterricht an der Basisstufe des Kanton Bern (Mai 2009)

    Auch in der Schweiz wird die neue Schuleingangsphase in 10 deutschsprachigen Kantonen der Deutschschweiz und im Fürstentum Liechtenstein eingeführt. In diesen Kantonen und in Liechtenstein laufen seit dem Schuljahr 2004/2005 Schulversuche.

    Das Amt für Kindergarten, Volksschule und Beratung (AKVB) der Erziehungsdirektion des Kantons Bern hat für seinen Schulversuch "Basisstufe" einen Kriterienkatalog zur Bestimmung der Unterrichtsqualität in der Basisstufe formuliert: www.erz.be.ch/site/fb-volksschule-projekte-basisstufe-qualitaetsmerkmale.pdf

    Weitere Details zur Einführung der Schuleingangsphase in der Schweiz finden sich auf der Homepage von Prof. Carle: www.grundschulpaedagogik.uni-bremen.de/schuleingangsphase/

     

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    9. Hintergrundwissen zur Allgemeinen Didaktik

    Didaktik als Theorie der Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen bildet eine wichtige Bedingung für Lehrkräfte und in gewisser Weise auch für Lernende. Angelegt ist Didaktik dafür, beiden Gruppen bei der Entwicklung ihrer Lehr-Lern-Kompetenzen in der schulischen und in anderen pädagogischen Praxen zu helfen. Sie ist also keine unmittelbar praxisleitende Verrichtungslehre für Unterrichten bzw. Lernen, sondern bietet Modelle und Leitgedanken zur Reflexion und Veränderung / Verbesserung der eigenen oder der fremden Kompetenzentwicklungsprozesse. Viele zweifeln daher den praktischen Nutzen allgemeiner und fachspezifischer Didaktik für die Unterrichtspraxis an. Diesem Urteil liegt ein Ebenenfehler und / oder ein linieares Handlungskonzept zugrunde.

    • Zu dieser grundsätzlichen Frage empfehlen wir als ebenso anschauliche wie reflektierte Lektüre 'Carle, Ursula (1995): Mein Lehrplan sind die Kinder. Eine Analyse der Planungstätigkeit von Lehrerinnen und Lehrern an Förderschulen'. [kostenloser Download]
    • Wer sich erst einmal in die Begrifflichkeit einlesen will und eine erste Einführung in die unterschiedlichen didaktischen Modelle einlesen möchte, dem bietet das Lemma "Didaktik" des Online-Bildungslexikons WIKI hervorragende Dienste: http://wiki.bildungsserver.de/index.php/Didaktik
    • Als weiterführender Einstieg in die Grundbegriffe, die Geschichte und in drei grundlegende Theorien der Didaktik (Bildungstheoretische Didaktik, Lehr-Lerntheoretische Didaktik, Dialektische Didaktik) empfehlen wir die Didaktik-Homepage von Prof. Dr. Will Lütgert, Zentrum für Didaktik der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Dort finden sich auch weitere Texte und Ausarbeitungen: www.didaktik.uni-jena.de/index.htm
    • Weiterführendes Material zur Didaktik und Methodik der Schuleingangsphase bietet die Themenseite von Prof. Dr. Ursula Carle: www.grundschulpaedagogik.uni-bremen.de/schuleingangsphase
    • Bei der Entwicklung der Didaktik und Methodik der Schuleingangsphase mit dem Schwerpunkt "Heterogenität didaktisch und pädagogisch nutzen", d. h. Einschulung aller Kinder, keine Zurückstellungen, jahrgangsgemischter und gemeinsamer Unterricht, sehen wir die "Aufgabenqualität" als entwicklungskritisches Moment ("Engpass") an. Dazu hat Prof. Carle erste Gedanken in ihrem Gutachten zur Flexiblen Schuleingangsphase in Brandenburg formuliert: Manuskript des Gutachtens (Seite 220ff); Folienvortrag zum Gutachten (Folie 24)

     

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    10. Sammlung Unterrichtsmethoden

    Übersicht über reformpädagogische Konzepte und ihre Methoden (Bildungsserver Südtirols - blikk)

    Konstruktivistischer Methodenpool der Universität Köln

    Methodensammlung bei Wikipedia

    Arbeit mit dem Regalsystem - Grundschule Unterweid

    Arbeit mit dem individuellen Lehrplan - Grundschule Neuhaus

    Materialien der Grundschule Heldrungen


    Literaturempfehlungen zu Unterrichtsmethoden:
    Bönsch, Manfred/Kaiser, Astrid (Mitarb.): Unterrichtsmethoden - kreativ und vielfältig. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag 2002
    Meyer, Hilbert: UnterrichtsMethoden, 2. Praxisband. Cornelsen Scriptor 2003, 10. Auflage
    Peterßen, Wilhelm H.: Kleines Methoden-Lexikon. München 1999

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Beispiel

Menschliche Entwicklung ganz allgemein geschieht nach Kegan in einem
fortwährenden Prozess der Differenzierung des Selbst von seiner
(angestammten) Umwelt und einer darauf folgenden Integration in die
„neue“ Welt. Das Selbst wird also durch Veränderungen der
Subjekt-Objekt-Beziehung rekonfiguriert, um anschließend eine völlig
neue Einheit zu bilden.

„Was ich mit ‚Objekt’ meine, sind jene Aspekte unserer Erfahrung, die
wir anschauen können, auf die wir Bezug nehmen, über die wir nachdenken,
die wir kontrollieren, und die wir mit etwas anderem in Verbindung
bringen können. Gegenüber Dingen, die wir nicht als ‚ich’ empfinden,
können wir objektiv sein. Mit anderen Aspekten unserer Erfahrung sind
wir hingegen so identifiziert, so verschmolzen, dass wir sie als uns
selbst empfinden. Das ist es, was wir als subjektiv erleben, die
‚Subjekt’-Hälfte der Subjekt-Objekt-Beziehung.“ (Kegan 2003, S. 2)

Eine solche neue Subjekt-Objekt-Beziehung bleibt so lange bestehen, bis
sie nicht mehr haltbar erscheint.

„Wenn wir beispielsweise die Phase des ‚konkreten Denkens’ erreichen,
normalerweise im Alter von 6-10 Jahren, sind wir in der Lage, Fakten zu
erlernen, immer mehr Fakten, aber eben nur Fakten. Kinder dieser
Altersstufe sammeln Baseball-Karten, Käfer und Blätter von Bäumen. Sie
erwerben sich ihr Verständnis der sie umgebenden Welt, indem sie deren
Objekte erkennen und benennen. Aber es bedarf eines qualitativen
Sprungs, einer Transformation dieser Subjekt-Objekt-Beziehung, um jene
Fakten in umfassendere abstrakte Ideen, Kategorien und Wertsysteme
einordnen zu können. (...) Jeder qualitative Sprung verlagert eine
mentale Struktur, die bisher als Subjekt erfahren wurde, so vollständig,
dass sie von nun an als Objekt betrachtet wird.“ (ebd.,).

Dem qualitativen Sprung, wie Kegan Bildungsübergänge kennzeichnet, gehen
Pendelbewegungen zwischen der aktuellen und der neuen, differenzierteren
Struktur voraus. Das Individuum verschafft sich so eine immer
umfassendere Übersicht über die Struktur seiner aktuellen Tätigkeit und
erkennt dadurch zunehmend die Struktur der neuen
Subjekt-Objekt-Beziehung. „Das gibt uns die Möglichkeit, zu einem neuen
Gleichgewicht oder einer Art neuer Erkenntnistheorie voranzuschreiten“
(Kegan 2003, S. 3) – eine neue Qualität des Selbst zu gewinnen.

<< (aus: Carle, Ursula (2004): Die Bedeutung von Bildungsübergängen für die
kindliche Persönlichkeitsentwicklung - transdisziplinäre Überlegungen.
In: Denner, Liselotte/ Schumacher, Eva (Hrsg.): Übergänge im Elementar-
und Primarbereich reflektieren und gestalten. Beiträge zu einer
grundlegenden Bildung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 52-74

 

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Kegan sieht „die Entwicklung des Selbst als einen vom Selbst aktiv
betriebenen Prozess“ (Krappmann 2001, S. 362). Mit Piaget verbindet
Kegan, dass er sich als Entwicklungspsychologe vor allem für
erkenntnistheoretische Fragestellungen interessiert und zugleich eine
konstruktivistische und interaktionistische Position vertritt. Wie
Erikson versteht Kegan den Entwicklungsprozess als ein Ausbalancieren
zwischen zwei Polen, nämlich zwischen psychischen Strukturen, die
Unabhängigkeit und solchen die Zugehörigkeit begünstigen: Bei Erikson
(1984) wäre das etwa um den Schulanfang ‚Werksinn versus
Minderwertigkeitsgefühl’, bei Kegan das ‚Souveräne Selbst’ versus
‚Koordinierung der Bedürfnisse’.

Kegan sieht daher die Entstehung und Entwicklung des Selbst „in einem
direkten Zusammenhang mit der (Möglichkeit zur – d.A.) Reflexion des
eigenen Lebens. Diese Reflexion schlägt sich in konstruierten
Bedeutungen nieder“ (Flammer 1996, S. 246). Bildungsübergänge bieten
daher die intensive Möglichkeit zur selbstbestimmten Weiterentwicklung
des kindlichen Selbst – vorausgesetzt, sie sind pädagogisch gestaltet....

Erkenntnisse gewinnen Menschen selbstreflexiv in der Auseinandersetzung
mit Objekten der gegenständlichen Welt. Diese Auseinandersetzung und
Reflexion findet immer in sozialen Beziehungen statt. Das ist für Kegan
grundlegend und darin stimmt er auch mit Piaget und Erikson überein.

„Innerhalb dieser (sozialen – d.A.) Beziehungen wird das Wissen in
Kommunikationsprozessen sozial konstruiert, die die Funktion des Denkens
und Begründens übernehmen. Individuen werden sich ihrer Interdependenz
bewusst und entwickeln gegenseitige Achtung, indem sie sich an den
Prozessen beteiligen und zwecks Validierung des eigenen Standpunktes auf
sie vertrauen“ (Youniss 1994, S. 84).

Diese kooperative Konstruktion von Wissen heißt „Ko-Konstruktion“. Weil
Kinder anders miteinander kooperieren als Erwachsene mit Kindern, geht
Youniss davon aus, dass sich auch die Ko-Konstruktionen zwischen Kindern
von denen zwischen Erwachsenen und Kindern unterscheiden. (vgl. ebd., S.
80ff.). Kinder passen sich den Vorstellungen der Erwachsenen an, wenn
diese als fertige Einsichten übermittelt werden, mit denen sich die
Kinder auseinandersetzen sollen. Die Erwachsenen haben ihre Erkenntnisse
jedoch auf der Grundlage ganz anderer Erfahrungen als die Kinder
gewonnen (vgl. ebd., S. 165). Folglich ist etwas, das aus Sicht der
Kinder durchaus schlüssig und richtig ist, in der Perspektive der
Erwachsenen möglicherweise unschlüssig oder falsch.

<<aus: Carle, Ursula (2004): Die Bedeutung von Bildungsübergängen für die kindliche
Persönlichkeitsentwicklung - transdisziplinäre Überlegungen. In: Denner,
Liselotte/ Schumacher, Eva (Hrsg.): Übergänge im Elementar- und
Primarbereich reflektieren und gestalten. Beiträge zu einer
grundlegenden Bildung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 52-74

 

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letzte Aktualisierung: 20101114